Meine Reise nach Spitzbergen wird mir wohl immer in besonderer Erinnerung bleiben. Schon als mein Mann anfing, sich detailliert in meine Reiseplanung einzumischen, hätte ich defintiv skeptisch werden müssen. Er wollte unseren Sommerurlaub soweit oben im hohen Norden verbringen wie möglich (warum erfahrt ihr in Teil 3 der Serie). Ok soweit erstmal nichts Ungewöhnliches. Da wir aber schon sehr oft im Norden unterwegs waren, wollte ich tatsächlich gern mal wieder woanders hin. Aber er bestand darauf, es müsse der Norden sein. Na gut, grundsätzlich war ich da schnell zu überzeugen. Unsere Familien und Freunde schüttelten zwar mal wieder den Kopf, wo wir unseren Sommerurlaub verbringen, aber egal. Gesagt getan, es konnte losgehen: Die erste Reise in die Arktis.

Spitzbergen, Spitsbergen oder Svalbard?

Erstmal stellt sich mir die Frage, wohin ich nun eigentlich reise. Ursprünglich hieß Spitzbergen Spitsbergen, da es von den Niederländern entdeckt wurde. Spitzbergen ist gleichzeitig der Name der zu Norwegen gehörenden Inselgruppe als auch der (einzigen von Menschen bewohnten) Hauptinsel. Im Norwegischen ist Svalbard der Name der Inselgruppe und Spitsbergen der Name der Hauptinsel. Verwirrend? Ja…ich belasse es einfach mal bei – genau – SPITZBERGEN.

Zu den Regionen von Spitzbergen gehören neben der größten und bekanntesten Insel Spitsbergen (früher: Vest Spitsbergen) noch Nordaustlandet, Barentsøya, Edgeøya und Tusenøyane, Barentsøya, Kvitøya und Prins Karls Forlandet, Kong Karls Landet, Bjørnøya (Bear Island) sowie Hopen. Die bekanntesten Siedlungen bzw. Stationen sind der Hauptort LongyearbyenNy-Ålesund, die russischen Siedlungen Barentsburg und Pyramiden, Sveagruva und Hornsund. Longyearbyen ist gleichzeitig auch die administrative Verwaltung von Spitzbergen. In der Nähe von Longyearbyen befindet sich des Weiteren auch der globale Saatbank-Tresor (Global Seed Vault).

Spitzbergen

Longyearbyen

Und was macht man eigentlich so auf Spitzbergen?

Bereits im Flugzeug bin ich erstaunt, dass offensichtlich doch mehr Menschen als gedacht ihren Sommerurlaub in der Arktis verbringen. Nach einem spektakulären Landeanflug über das ewige Eis landen wir in Longyearbyen.

Svalbard

Landeanflug

“There it was, the land under 80 degrees, a land of stern magnificence, where icebergs rear up almost to the very mountaintops, and mountain rises above mountain; there it was, inviolate, alive to the raucous voice of millions of birds, the continuous staccato bark of foxes, the castanet click as the hoofs of great herds of deer fell in a swinging trot; there it was, surrounded by waters whose surface was slashed and sprayed by schools of walrus and whales that had swum there before ever man was born.” Jeannette Mirsky, To the Arctic!: The Story of Northern Exploration from Earliest Times

Ankommen in Longyearbyen

Longyearbyen ist wohl einer der angenehmsten Flughäfen, die ich je angeflogen habe: Man läuft einfach direkt vom Flugzeug über die Rollbahn zum Terminal, es gibt nur ein Gepäckband und an der Security muss man nicht anstehen. Neben dem Gepäckband steht ein ausgestopfter Eisbär. Ob ich das jetzt gut oder schlecht finde, weiß ich nicht. Aber es vermittelt zumindest schon mal etwas arktische Stimmung. Die Mischung des Gepäcks, welches da angefahren kommt ist auch interessant: vom “Mallorca-Koffer” bis zum umfangreichen Expeditionsgepäck ist alles dabei. Manche brauchen mindestens drei Gepäckwägen, um das alles zu transportieren. Zum Glück haben wir nur Rucksäcke dabei. Das kann ich auch durchaus empfehlen, ich hätte über die Schotterwege in Longyearbyen keinen Rollkoffer ziehen wollen.

Spitzbergen

Die “Skyline” von Longyearbyen

Spitzbergen

Die etwas anderen Straßenschilder

Wer sich nun unter Longyearbyen eine aufregende Expeditionsstadt vorstellt, der hat definitiv eine falsche Vorstellung – so wie ich. Denn ich bin wirklich überrascht. Longyearbyen ist eine kleine beschauliche Stadt, in der es eigentlich alles gibt: Cafés, Bars, Restaurants, Friseure, Shoppingcenter, Büros, Kindergärten, eine Halfpipe, eine Kirche, einige luxuriöse Hotels und sogar eigene Zeitungen (Svalbardposten und Ice People). Und dennoch hat Longyearbyen natürlich eine besondere Ausstrahlung und gleicht keiner europäischen Stadt.

Spitzbergen

Schneemobil-Parkplatz

Da Spitzbergen bekanntermaßen seit Jahrzehnten vom Bergbau lebt, lebt Longyearbyen u.a. von diesem “Kohle-Charme”. Es gibt auch noch eine aktive Kohlengrube (Grube 7). Bis jetzt, denn es werden immer mehr Gruben auf Spitzbergen geschlossen (zuletzt in Sveagruva).

Spitzbergen

Spitzbergen

Longyearbyen entdecken

Es ist definitiv lohnenswert, ein oder zwei Tage zu nutzen, um Longyearbyen zu erkunden. Das geht am besten zu Fuß. Longyearbyen ist Polar Bear Protected Zone, d.h. man kann sich hier als Tourist frei bewegen. Neben dem besonderen Charme, den ihr auf euch wirken lassen könnt, gibt es auch einiges zu sehen:

Spitzbergen

Svalbard Kirke – die nördlichste Kirche der Welt

Spitzbergen

Ein Selfie mit dem Eisbär

Spitzbergen

Der Briefkasten vom Weihnachtsmann

Spitzbergen

Fruene Kaffe og Vinbar (links)

Longyearbyen

Mary-Ann’s Polarrigg

Solltet ihr Longyearbyen lieber mit einem Guide entdecken wollen, gibt es eine Vielzahl von Angeboten. Am besten ist es sowieso, ihr geht am ersten Tag eures Aufenthalts zur Touristeninformation. Dort könnt ihr euch dann auch gleich über die Touren außerhalb von Longyearbyen informieren. Die Angebote findet ihr natürlich alle auch online.

Also ich habe mich definitiv in Longyearbyen verliebt. Es ist ein kleiner, bunter, ein wenig verrückter Ort mit super netten und entspannten Bewohnern ohne jegliche Hektik. Ein Ort, an dem Autos und Wohnungen unverschlossen sind, in dem es keine Diebstähle gibt (hier kennt sowieso jeder jeden). Wo Fatbikes statt Fahrräder vor den Wohnungen stehen. Wo mehr Schneemobile als Autos parken. Wo Fenster keine Gardinen haben, weil es sowieso so lange dunkel ist und diese Fenster zur Mitternachtssonne einfach mit Alufolie beklebt werden, um nachts schlafen zu können. Ein Ort, in dem die Welt noch in Ordnung ist. Wo sich Polarfuchs und Svalbard-Rentier gute Nacht sagen. Und es ab und zu mal vorkommt, dass ein Eisbär den Kühlschrank in einem Wochenendhaus außerhalb von Longyearbyen plündert.

Und nachdem ihr nun Longyearbyen erkundet habt, könnt ihr euch in die “Outdoor Abenteuer” stürzen.

Spitzbergen entdecken

Wie entdeckt man Spitzbergen am besten? Die Besonderheit von Svalbard ist, dass es kaum Straßen gibt und eine Mietwagenrundreise somit schon einmal unmöglich ist. Das würde auch nur gehen, wenn ihr einen gültigen Waffenschein und eine Waffe besitzen würdet. Außerhalb von Longyearbyen sollte man sich als Tourist möglichst nur mit Guides bewegen.

Zunächst einmal sollte man sich bewusst sein, dass es einen großen Unterschied macht, ob man Spitzbergen im Sommer (so wie ich) oder im Winter besucht. Dementsprechend verändern sich auch die Aktivitäten:

  • ein Besuch der russischen Geisterstadt Pyramiden (ganzjährig, im Sommer mit dem Schiff, im Winter mit dem Schneemobil) und ggf. sogar eine Nacht im dortigen Hotel schlafen (geöffnet von März – Oktober)
  • einen Tag lang Musher sein und Hundeschlitten fahren (im Sommer auf Rädern und im Winter auf Kufen)
  • ein Besuch im russischen Barentsburg (ganzjährig, im Sommer mit dem Schiff, im Winter mit dem Schneemobil)
  • die Nordlichter jagen (im Winter) – per Auto, Schneemobil oder Hundeschlitten
  • eine Eishöhle besichtigen (im Winter)
  • Wandern (im Sommer)
  • Skifahren (im Winter)
  • Schneemobil fahren (im Winter)
  • FatBike fahren (im Sommer)
  • die Mitternachtssonne erleben (im Sommer)
Spitzbergen

“Eisbären-Touren” werdet ihr NICHT auf der Liste der Aktivitäten in Spitzbergen finden. Solltet ihr einen Eisbären sehen, dann hoffentlich aus sicherer Entfernung.

Was ihr wissen solltet

Solltet ihr euch nur in Longyearbyen aufhalten und/oder mit geführten Touren unterwegs sein, müsst ihr nicht ganz so viel beachten. Seid euch trotzdem immer bewusst, wo ihr auf Spitzbergen seid. Auch wenn man sich in Longyearbyen frei bewegen kann – es gibt keine Zäune oder ähnliches um Longyearbyen. Es ist vor nicht allzu langer Zeit vorgekommen, dass ein Eisbär auf dem Zeltplatz von Longyearbyen war (in der Nähe vom Flughafen). Unterschätzt nicht die Gefahren, die von der Natur und den Tieren ausgehen. Speziell im Winter kann es auch immer zu Lawinenabgängen kommen, welche auch schon in Longyearbyen Opfer gefordert haben. Und auch mit Eisbären gab es immer wieder tödliche Zwischenfälle in der Wildnis. Bewegt euch nie ohne Waffe außerhalb der Bear Protected Zones.

Informiert euch am Besten auf der Seite des Gouverneurs von Spitzbergen (Sysselmannen på Svalbard), was ihr für welche Art von Reise (Tourist, Expedition, auf eigene Faust) benötigt.

An- und Einreise

Spitzbergen gehört nicht dem Schengen Abkommen an. Deswegen benötigt ihr einen Reisepass, um nach Spitzbergen einzureisen.

Es gibt zwei Möglichkeiten nach Spitzbergen zu reisen. Zum einen mit dem Flugzeug (meist über Oslo oder Tromsø). Wir sind (wie immer, wenn wir Richtung Norden fliegen) mit Norwegian geflogen. Von Oslo fliegt man ca. drei, von Tromsø ca. zwei Stunden bis nach Spitzbergen.

Alle wichtigen Infos zum Flughafen findet ihr hier. Vom Flughafen könnt ihr mit dem öffentlichen Bus (Flybussen) fahren (so haben wir es gemacht – völlig unproblematisch und die preisgünstigste Variante). Da meist nur 2-3 Flüge am Tag in Longyearbyen landen, steht der Bus in der Regel schon bereit. Er fährt außerdem alle großen Unterkünfte an. Wer möchte kann aber auch ein Taxi nehmen.

Alternativ könnt ihr mit dem Schiff anreisen. Es gibt mittlerweile einige bekannte Kreuzfahrtschiffe, die Spitzbergen in ihre Routen aufgenommen haben. Ob sich so ein “Hop on hop off” Aufenthalt lohnt, ist eine andere Frage. Alternativ könnt ihr auch mit dem Postschiff anreisen.

Mein persönlicher Tipp wäre es, mit dem Flugzeug anzureisen und dann Spitzbergen mit dem Schiff zu umrunden. Zumindest steht das auf meiner Wunschliste ganz weit oben 🙂

Kleidung

Als “normaler Tourist” benötigt ihr meines Erachtens keine spezielle Ausrüstung außer wind- und wetterfeste Kleidung. Auch im Sommer liegen die Temperaturen tagsüber kaum über 10 Grad und es bläst meist ein sehr kalter Wind. Für den Sommer würde ich somit wind- und wetterfeste Frühlings- oder Herbstkleidung empfehlen. Zum Wandern solltet ihr Wanderschuhe tragen.

Im Winter sinken die Temperaturen natürlich drastisch in den hohen zweistelligen Minusbereich und ihr benötigt dementsprechende spezielle Kleidung und Schuhe.

Unterkunft

Neben den Ausflügen ist die Unterkunft einer der größten Kostenfaktoren auf Spitzbergen. In wem ein kleines Abenteuerherz schlägt und dem frostige Temperaturen auch im Sommer nichts ausmachen, der kann in Longyearbyen campen (allerdings etwas “ab vom Schuss” in der Nähe vom Flughafen). Hier gehts zum nördlichsten Campingplatz der Welt.

Spitzbergen

Der nördlichste Campingplatz der Welt

Spitzbergen

Meine bevorzugte Variante ist eine Ferienwohnung oder ein Guesthouse. Somit kann man sich selbst versorgen und ist nicht darauf angewiesen noch sehr viel Geld für Essen auszugeben. Wir haben in dieser Ferienwohnung gewohnt. Diese kann ich wirklich uneingeschränkt weiter empfehlen. Auch die Lage fand ich sehr gut, um die Stadt zu erkunden.

Es gibt auch einige (sogar sehr gute und luxuriöse) Hotels in Longyearbyen.

Eine umfangreiche Liste aller Unterkünfte findet ihr hier.

Warum ihr jetzt nach Spitzbergen reisen solltet

Seitdem der internationale Flughafen eröffnet wurde, hat der Tourismus stark zugenommen. Aber auch mit den Kreuzfahrtschiffen kommen immer mehr Touristen. Mit dem Schließen der Kohlengruben wird der Tourismus bald noch einen höheren Stellenwert einnehmen und neben der Forschung zur Haupteinnahmequelle auf Spitzbergen werden. So sind in den letzten Jahren immer mehr Hotels gebaut worden und Longyearbyen wird meines Erachtens immer mehr von seiner Ursprünglichkeit verlieren.

Auch der Klimawandel bedroht bekanntermaßen die Arktis und damit auch den Lebensraum so vieler Tiere.

Die Reise nach Spitzbergen war für mich einmalig, ganz besonders, eine der besten Reisen überhaupt. Eine Reise ohne Touristenmassen. An einen Ort, an dem mehr Eisbären als Menschen leben. An einen Ort, an dem dir abends vor der Bar statt betrunkener Partymenschen ein Polarfuchs begegnet und Rentiere genüsslich am Wegesrand grasen. Eine Reise zum traurigen Bewusstsein, wie gewaltig die Natur doch ist und dass ein Stadtkind wie ich gar nicht mehr in der Lage ist, sich ohne Hilfe in solch einer Natur zu bewegen. Wenn ihr diesen Ort noch ein bisschen ursprünglich erleben wollt, dann macht es bald – bevor auch Spitzbergen von Touristen überrannt wird.

Wart ihr schon in der Arktis und wart ihr im Sommer oder Winter dort?

Hier geht es zu Teil 2 der Spitzbergen-Serie.